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Stender Magazin

Dos and Don’ts der Betriebsübergabe

Stender Redaktion /8 Min. Lesezeit / 10. Oktober 2022

Im Gespräch mit Markus Hemmje und Axel Hemmje

Die 3 Schlüsselpositionen
bei der Betriebsübergabe.

Wir waren zu Besuch bei der Baumschule Hemmje.

Hier hat vor einem Jahr eine Betriebsübergabe, wie aus dem Bilderbuch, stattgefunden. Wir wollen wissen, warum alles so reibungslos geklappt hat und was die wichtigsten Dos and Don’ts bei einer Betriebsübergabe sind. Klar ist schon mal: Keine Betriebsübergabe ist gleich.

Die Position des Seniors

Unternehmer:innen haben viele kritische Phasen zu meistern. Ab dem Zeitpunkt der Gründung trägt man viel Verantwortung und ist gleichzeitig für alles selbst verantwortlich. Das gilt nicht nur für die ersten Jahre, sondern hört nie ganz auf.

Es entstehen Erinnerungen, Geschichten und eine besondere Verbundenheit zum eigenen Betrieb. Eine vielleicht etwas romantische Vorstellung. Doch klar ist, Unternehmensinhaber:innen liegt viel an ihrem Betrieb. Für die meisten ist es ein Lebenswerk.



Da ist es eigentlich offensichtlich, dass eine der kritischsten Phasen die Übergabe ist. Loslassen und das Kapitel “Unternehmer” schließen ist schwer, wenn das ganze Leben bisher darauf ausgerichtet war.

In der Baumschule Hemmje, war das ”Loslassen” zum Glück überhaupt kein Problem. Von Anfang an, berichten Axel und Markus Hemmje, hatten die Eltern großes Vertrauen in ihre Kinder. So konnten die heutigen Geschäftsführer schon früh Verantwortung übernehmen und eigene Erfahrungen machen.
Das hat auch dem Betrieb gutgetan.



Das ist bei Weitem nicht selbstverständlich.

Es wäre ein Fehler zu glauben, dass sich der andere Senior mit dem Aufhören längst arrangiert hat. Oft kann das nämlich zu Konflikten führen. Das Wichtigste ist, an dieser Stelle einen klaren Zeitplan verbindlich beschlossen zu haben. Es muss ein festes Datum geben, wann der Senior-Chef oder die Senior-Chefin den Betrieb wirklich aus den Händen gibt. Einen klar kommunizierten letzten Tag.

Natürlich ist es möglich, für eine geregelte Zeit noch gemeinsam operativ tätig zu sein. Oft ist dies sogar sinnvoll. Aber auch diese Phase braucht einen Anfang genauso wie ein Ende. So haben in der Baumschule Hemmje die beiden jetzigen Geschäftsführer schon vor 7 Jahren begonnen, im Familienbetrieb mitzuarbeiten. Das klingt nach einer langen Phase des Übergangs. Doch die investierte Zeit lohnt sich, wie man an der reibungslosen Betriebsübergabe sieht.

Entscheidet man sich gemeinsam und gleichberechtigt im Betrieb miteinander zu arbeiten, dann braucht auch das klare Spielregeln. Das gilt vor allem, wenn der Familienbetrieb an die nächste Generation übergeben wird. Besonders für Eltern ist es wichtig, aus ihrer Rolle als Vater oder Mutter auszutreten und in die Rolle eines Geschäftspartners überzugehen. Emotionaler Druck und das klassische Rollenverhalten sind nicht zielführend.

Ziel des abgebenden Unternehmers sollte es immer sein, den oder die Nachfolger:in zu stärken. Denn das ist für das Unternehmen langfristig am besten. Dafür ist strategisch kluges und oft behutsames Handeln erforderlich. Ein Fehler wäre es, wenn der Senior dem Nachfolger immer noch sehr offensichtlich unter die Arme greift. So stärkt er nämlich nicht die Position seines Nachfolgers, sondern lässt diesen eher ungeschickt aussehen.

Kund:innen, Mitarbeiter:innen und Partner:innen wollen und müssen Vertrauen zum neuen Chef oder zur neuen Chefin fassen können. Das ist nicht möglich, wenn der Senior immer wieder dazwischenfunkt. Was vielleicht sogar gut gemeint ist, sorgt dafür, dass ein falsches Bild von mangelnder Führungskompetenz entsteht. Dieses lässt sich später nur schwer korrigieren.

Natürlich ist im Umkehrschluss auch offene Kritik vor anderen Mitarbeitenden nicht hilfreich.

Der abgebende Unternehmer oder die abgebende Unternehmerin hat großen Einfluss auf eine gelungene Übergabe. Die wichtigste Voraussetzung ist dabei die Akzeptanz für die anstehende Veränderung. Loslassen und abgeben können ist schwierig, aber unerlässlich für eine reibungslose Betriebsübergabe.

Die Position des 
Nachfolgers

In den meisten Fällen wird die Betriebsnachfolge in der Familie geregelt oder ein Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin aus dem aktuellen Management übernimmt den Betrieb. Natürlich wünschen sich Eltern häufig, dass ihre Kinder das Familienunternehmen übernehmen. Doch dabei ist die wichtigste Frage immer die: Will der auserkorene Nachfolger oder die auserkorene Nachfolgerin den Betrieb überhaupt weiterführen?

Der Wunsch zur Firmenübergabe muss von beiden Parteien gleichermaßen ausgehen. Geht die Initiative nur vom aktuellen Inhaber aus, dann ist Scheitern häufig vorprogrammiert. Wer einen Betrieb übernimmt, muss dies wirklich wollen. Was offensichtlich klingt, ist in Wahrheit einer der Hauptgründe, warum eine Übergabe scheitert.

Auch hier sieht man bei Hemmje, wie es richtig geht. Schon früh wussten die beiden Geschäftsführer Axel und Markus Hemmje, dass sie im Betrieb der Eltern arbeiten und diesen auch übernehmen wollten. Druck wurde hier keiner ausgeübt.


Die Realität sieht bei vielen Betrieben oft anders aus.
Zu oft fühlen sich Nachfolgende verpflichtet, werden überredet und sind mit dieser Entscheidung dann unglücklich. Das schadet dem Betrieb immer.

Der einfachste Weg, dieses Problem zu umgehen, ist, frühzeitig miteinander zu sprechen. Denn sprechen muss man ohnehin. Handelt es sich um einen Familienbetrieb, dann sollten die Kinder frühzeitig in Gespräche zur Übergabe involviert werden. So lassen sich die wichtigsten Fragen besprechen:

  • Wer möchte den Betrieb übernehmen?
  • Gibt es mehr als einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin?
  • Was passiert, wenn nur ein Teil der Geschwister den Betrieb übernehmen möchte?

Alles Fragen, die sich klären lassen.

Entscheiden sich zwei oder mehr Geschwister, den Betrieb gemeinsam zu übernehmen, dann sollte es eine klare Aufteilung geben, wer welchen Bereich übernimmt. Es ist ungünstig, wenn Junior und Senior zwei Meinungen zu einem Thema haben. Es ist aber ebenso ungünstig, wenn Geschwister sich die Verantwortung für einen Bereich teilen.

Die Baumschule Hemmje hat genau das gemacht und die Bereiche zwischen den beiden Nachfolgern genau aufgeteilt. Diese Entscheidung früh zu treffen lohnt sich, denn so kann man sich gegenseitig ergänzen. Und jeder bringt den Betrieb mit seinen Fähigkeiten weiter. Eine klassische Aufteilung, die auch die Brüder bei Hemmje getroffen haben: Einer kümmert sich um die Produkte, die Technik und deren Weiterentwicklung – der andere um den Verkauf.

Der letzte und wichtigste Punkt ist es, den oder die Nachfolger:in auf seine oder ihre Aufgabe richtig vorzubereiten.

Um einen Betrieb zu führen, ist Praxiserfahrung nötig. Hilfreich kann es für Kinder sein, ihre Ausbildung in diesem Zusammenhang in einem anderen Betrieb zu absolvieren.

Auch die stückweise Übergabe ist ein Modell, das viele Betriebe erfolgreich nutzen. Wenn Kinder schon über mehrere Jahre gleichberechtigt neben ihren Eltern arbeiten können, dann ist der Übergang meist sanfter. Problematisch ist immer nur eine unzureichende Vorbereitung. Denn ein Unternehmen, an dem Arbeitsplätze und Existenzen hängen, sollte nur an jemanden übergeben werden, der dieser Verantwortung gewachsen ist.

Wer einen Betrieb übernehmen darf, bekommt auch Verantwortung für die Belegschaft. Das ist keine Kleinigkeit. Denn, wenn die Mitarbeiter:innen nicht mitziehen, dann scheitert die Übergabe fast sicher. Noch fataler kann sein, dass Mitarbeiter:innen das Unternehmen verlassen. So geht Know-how verloren, das unter Umständen nur sehr teuer ersetzt werden kann.

Mitarbeitende stehen einem neuen Chef oder einer neuen Chefin meist erst einmal skeptisch gegenüber. Kein Wunder, denn viele wissen nicht, welche Veränderungen jetzt auf sie zukommen. Kann ich meine Arbeit weiter wie bisher ausüben? Behalte ich meine Sonderstellung? Gibt es neue Regeln? Was ist dem neuen Vorgesetzten in der Zusammenarbeit wichtig? Bekomme ich neue Aufgaben?


Solche Unsicherheiten müssen den Mitarbeitenden erst genommen werden. Damit sie motiviert bleiben und die neue Führung akzeptieren, muss man Zeit einplanen.

Damit sich Mitarbeiter:innen selbst von der Führungskompetenz der neuen Inhaber:in überzeugen können, ist also eine längere Übergangsphase hilfreich. Natürlich immer unter der Voraussetzung, der Senior positioniert seine Nachfolge richtig.

Wird an die eigenen Kinder übergeben, dann sollte genau das kein Problem sein. Ein Best Case Szenario wäre, dass der Junior frühzeitig in den Betrieb mit einsteigt. Dort bekommt er oder sie immer mehr Führungsverantwortung, ist irgendwann gleichberechtigt, alle Mitarbeiter:innen kennen ihn oder sie bereits und so entwickelt sich über einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren eine Unternehmerpersönlichkeit.

Was auf jeden Fall berücksichtigt werden sollte, ist auch hier die offene Kommunikation. Unklarheit führt zu Flurfunk – und den sollte man immer vermeiden. Mitarbeiter:innen, die sich informiert fühlen, nehmen eine Übergabe besser an.

Faustregel: Informiere die Belegschaft, bevor du Kunden:innen oder Partner:innen in Kenntnis setzt.

Die drei wichtigsten Komponenten

Grundvoraussetzungen für eine gelungene Betriebsübergabe sind schon die halbe Miete

Da Betriebsübergaben in den meisten Fällen an emotionalen Gründen scheitern, sind drei Dinge am Ende wirklich entscheidend.

Bei Hemmje war dies überhaupt kein Problem. Man trifft sich regelmäßig, entscheidet gemeinsam und hier wird auch gerne zusammen gefrühstückt oder zu Mittag gegessen. So ist ein reibungsloser Ablauf möglich.

3 Punkte fallen besonders auf, wenn man sich die Betriebsübergabe hier ansieht.

Punkt 1: Zeit

Das Gefühl, bei der Betriebsübergabe Zeit zu haben, trügt. Wer sich früh Gedanken macht, der hat es leichter. Oft vergehen Jahre, bis alles wirklich bis ins letzte Detail geplant ist. Berater empfehlen deshalb mindestens 5 Jahre, am besten sogar 10 Jahre vor dem Wechsel der Inhaberschaft mit der strategischen Planung zu beginnen.
Wer ohne zeitlichen Druck plant, macht weniger Fehler. Genau die können einen Betrieb am Ende wirklich gefährden.

Punkt 2: Kommunikation

Karl-Heinz Wolfgang bringt es mit dem Satz, „Erwartungen sind einseitige Verträge, von denen der andere nichts weiß!” auf den Punkt. Wer nicht miteinander spricht und das offen und klar, der wird Probleme bekommen. Eltern sollten früh mit ihren Kindern sprechen. Der oder die scheidende Inhaber:in mit seinen Mitarbeiter:innen und natürlich auch Junior und Senior sollten immer im Gespräch sein. Wer alle Parteien früh in offene Gespräche involviert, der vermeidet damit emotionalen Frust, schafft Klarheit und erstickt viele Probleme im Keim.

Punkt 3: Gemeinsames Ziel

Oft sind viele Interessen im Raum, die alle unter einem Hut zusammenkommen. Deshalb ist es wichtig, gemeinsame Ziele und eine positive Vision der Zukunft zu entwickeln. Wenn alle an einem Strang ziehen, dann wird es meistens auch was. Ein gemeinsames Ziel verbindet. Ein Ziel, bei dem alle bekommen, was sie wollen und es am Ende dem Betrieb weiterhin gut geht.

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